Mit dem Infrastrukturplanungs- und Beschleunigungsgesetz wird das Planfeststellungsverfahren für den Neubau aller Hoch- und Höchstspannungsleitungen verbindlich vorgeschrieben. Für bereits begonnene Projekte im Rahmen anderer Verfahren können dadurch Verzögerungen entstehen. Die Anforderungen an die Verfahrensunterlagen wachsen. Rechtsprechung und Gesetzesänderungen zum Artenschutz steigern die Anforderungen an Erfassung und Bewertung von Natur und Landschaft und insbesondere der Tierwelt erheblich. Erfassungszeiträume können zu Verzögerungen bei der Zusammenstellung der Unterlagen führen. Die öffentlichen Widerstände gegen einzelne Leitungsprojekte steigen erheblich. Dies führt auch bei Projekten in Schleswig-Holstein bis zu Klageverfahren vom Ausbau betroffener Bürger. Die Kommunikation mit den Betroffenen beschränkt sich weitgehend auf den formalen Austausch mit Stellungnahmen und Erörterungen. In den Planfeststellungsverfahren wird dabei über Jahre hinweg über den Bedarf des Ausbaus gestritten und es werden verschiedene Einzelgutachten zur Bedarfsbestimmung erforderlich. Letztendlich führen die entstehenden Verzögerungen bei einzelnen Projekten dazu, dass der über Jahre als zu groß hinterfragte Bedarf sich als inzwischen unterdimensioniert erweist und die Projekte aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit eingestellt und durch Projekte einer höheren Spannungsebene ersetzt werden müssen. Die Aufgaben für Landschaftsarchitekten sind weiter gewachsen. Neben der Abarbeitung der bewertenden Pflichtaufgaben des Naturschutzrechts werden immer mehr Beratungstätigkeiten erforderlich, um gemeinsam mit den Technikern, Trassierungsplanern und Bauunternehmern Lösungsansätze zu entwickeln, welche den Leitungsbau und Betreib unter den strengen arten- und naturschutzrechtlichen Anforderungen ermöglichen.
Neue Hochspannungsleitung im Bau - Der Bau neuer Hochspannungsleitungen mit den damit verbundenen Umweltwirkungen ist anders als der Neubau von Straßen in der Bevölkerung nur wenig bekannt. Hier ist viel Aufklärungsarbeit notwendig. © 2011 Katrin Fabricius BHF
Einstellung des Leitungsprojekts Heide - Pöschendorf - Im Jahr 2011 beendet E.ON Netz die Planung der 110 kV-Leitung Heide - Pöschndorf, da nach ca. 10-jähriger Planungszeit die Transportkapazität absehbar nicht ausreichen wird. Der Netzausbau im Bereich der Westküste Schleswig-Holsteins erfährt damit einen weiteren Rückschlag. © 2012 Uwe Herrmann Dithmarscher Landeszeitung
Netzausbauplanung ist in der Zeit vor dem modernisierten Bundesnaturschutzgesetz mit Einführung der Eingriffsregelung ein sehr überschaubares Geschäft weniger Fachingenieure. Der Netztechniker ermittelt den Bedarf und zeichnet eine möglichst gerade Linie zwischen Anfangs- und Endpunkt und entwirft damit ein unter ökonomischen und netztechnischen Gesichtspunkten optmiertes Projekt. Die Genehmigungsunterlage beinhaltet neben wenigen Sätzen zur Bedarfsbegründung den Anfangs- und Endpunkt des Projekts (in der Regel Umspannwerke) und eine Prinzipzeichnung eines typischen Mastes. Arten- und Biotopschutz, Eingriffsregelung und Landschaftsplanung, Erholungswert der Landschaft, Landschaftsbild, elektrische und magnetische Felder der Leitung sind noch keine Themen und die Öffentlichkeit erfährt in der Regel vom Projekt, wenn die Bagger anrollen. Bürgerproteste waren noch nicht bekannt – selige Zeit von wirtschaftlicher Entwicklung und industriellem Aufbau Landschaftsarchitekten waren am Prozess noch nicht beteiligt und die Umweltplanung als Arbeitsfeld noch nicht entdeckt - es wurden diverse Schäden an der ntürlichen und besiedelten Umwelt ausgelöst, die uns in der Planung bis heute beschäftigen
Planunterlage zum Neubau einer 380-kV-Leitung, Anzeigeverfahren 1974 - Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der Unterlagen zur Genehmigung von Freileitungsprojekten sind in den letzten Jahrzehnten beträchtlich gewachsen. © 2012 Uwe Herrmann TenneT
linear trassierte 110-kV Leitung - Trassierung ohne Berücksichtigung landschaftlicher Gegebenheiten ermöglicht einen geradlinigen Verlauf © 2007 Uwe Herrmann BHF
Mit der Einführung der Eingriffsregelung und Regelungen zum Biotopschutz beginnt die Zeit der Landschafts- und Umweltplaner im Bereich des Netzausbaus. Der Ausbaubedarf ist nur gering und bemisst sich weitgehend an Verbrauchszuwächsen in den Siedlungsschwerpunkten und industriellen Ballungsräumen. Teilweise werden im Umfeld neuer Kraftwerksstandorte Anschlussleitungen begrenzter Länge erforderlich. Die geringe Projektanzahl macht den Netzausbau für Landschaftsarchitekten zum Nischengeschäft. Das Fachrecht definiert für den Netzausbau noch kein Erfordernis für ein konzentrierendes Genehmigungsverfahren. Damit werden weiterhin nur Einzelgenehmigungen eingeholt und ein öffentliches Beteiligungsverfahren findet nicht statt. Der Landschaftsarchitekt kümmert sich mit überschaubarem Aufwand um die Abhandlung der Eingriffsregelung, entwickelt erste ganzheitliche Ausgleichskonzepte (heute würden wir das multifunktionale Kompensation nennen) und sichert die Mindestanforderungen des Biotopschutzes. Es werden erste Ansätze zur Vermeidung und Schonung des Landschaftsbildes entwickelt. Ohne engagierte Planer sind diese aber nur schwer umzusetzen, da ohne Konzentrationsverfahren und Gesamtabwägung die Umweltplanung oftmals auf „verlorenem Posten“ neben der technischen Planung steht. Artenschutz und europäischer Gebietsschutz haben noch keinen Einzug in die Planung gefunden. Rechtssicherheit ist noch kein maßgeblicher Begriff und Klagen gegen Netzausbauvorhaben spielen keine bedeutende Rolle. Die Öffentlichkeit nimmt von den Vorhaben weiterhin wenig Notiz.
Landschaftspflegerischer Beitrag zum Bau einer 110 kV-Leitung von 1989 - Maststandortscharfe Darstellung sowie die Biotoptypenkartierung und die Erfassung gesetzlich geschützter Biotope haben Eingang in die Planung gefunden. Die Landschaftspalnung hat inzwischen Einfluss auf Trassierungsdetails. © 2012 Uwe Herrmann BHF
110-kV Leitung mit Vollwandmasten zur Minimierung der Eingriffswirkung im Siedlungsrandbereich - Die Verwendung von Vollwandmasten ermöglichte bei kleineren Spannungsebenen (- 110 kV) und geringeren Bodenabständen im Bereich landwirtschaftlicher Flächen in den vergangenen Jahren ein Mastdesign, welches dem einer regelmäßig anzutreffenden Mittelspannungsleitung vergleichbar ist. Die Leitung wird damit weniger als störender Fremdkörper in der Landschaft wahrgenommen. © 2012 Uwe Herrmann BHF
Die Energiewende hat Deutschland erreicht. Mit dem Reaktorunfall in Fukushima und dem in der Folgezeit beschlossenen Atomausstieg verändert die Politik erneut die Rahmenbedingungen der zukünftigen Energieversorgung. Der Widereinstieg in den Atomausstieg mit fest vereinbarten Abschaltzeiten für die verbleibenden Reaktoren verändert die Anforderungen an die Transport- und Verteilnetze in einer nie gekannten Geschwindigkeit. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den sehr ambitionierten Zeitplan des Umbaus werden mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) geschaffen. Neue Arbeitsmittel wie der Netzentwicklungsplan und der Bundesbedarfsplan werden eigesetzt, um die Bedarfsdiskussion zu straffen. Die Frage der Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene wird als Ausnahmelösung auf Pilotstrecken definiert. Gleichzeitig gehen die Proteste auf einigen geplanten Neubaustrecken weiter. Es fehlt die klare Vermittlung, dass nicht jede Ortslage im Nahbereich einer Neubaustrecke eine hinreichende Begründung für eine Erdverkabelung sein kann. Gleichzeitig überfordert der Umstand, dass der Netzentwicklungsplan und der Bundesbedarfsplan sehr kurzfristig fortgeschrieben werden, Teile der Öffentlichkeit. So wird nicht hinreichend deutlich gemacht, dass eine nicht im Bundesbedarfsplan enthaltene Strecke nicht dauerhaft entbehrlich sein muss, sondern schon bei der Fortschreibung im Folgejahr in den Netzentwicklungsplan aufgenommen werden kann. Der Vorwurf einer Projektentwicklung als „Salamitaktik“ steht im Raum. Die Netzbetreiber bauen ihre Ressourcen für den Netzausbau deutlich aus und starten ein größere Zahl von Aus- und Neubauprojekten. Die Erfahrungen aus einem Jahrzehnt Planfeststellung im Energieleitungsbau fangen an Früchte zu tragen. In Kooperation mit den Genehmigungsbehörden gelingt es, Standards zu etablieren und die Planungs- und Genehmigungszeiten zu straffen. Erste Teilprojekte werden genehmigt und ohne Klageverfahren gebaut. Für die Landschaftsarchitekten wächst ein Marktsegment mit sehr großer Dynamik. Neben den klassischen Prüfungs- und Planungsaufgaben (SUP, UVP, LBP, FFH-VP, Artenschutz) treten Arbeitsfelder wie die Projektkommunikation und die ökologische Baubegleitung in den Vordergrund, ohne die eine beschleunigte Planung und ein Bauablauf ohne Verzögerungen nicht zu realisieren sind. Es ist absehbar, dass dieses Arbeitsfeld noch für mindestens ein Jahrzehnt eine deutliche Nachfrage nach landschaftsplanerischen Leistungen generieren wird.
Netzentwicklungsplan - Der Netzenwicklungsplan stellt das zentrale Element einer neuen Form der Bedarfsbestimmung im Höchstspannungsnetz dar. © 2012 BNetzA NEP 2012, Stand: August 2012, www.netzentwicklungsplan.de
Projektbüro - Kommunikation braucht neue Formen und regelmäßige lokale Präsenz - Kommunikation aus der Ferne ist trotz neuer Medien bestenfalls zweite Wahl. Wer überzeugen will, muss die lokalen Probleme erkennen und regelmäßig persönlich zur Verfügung stehen. Das persönliche Gespräch schafft das Vertrauenverhältnis, um kritische Fragen offen zu diskutieren, Beweggründe offenzulegen und Lösungen vorzubereiten. Hier ist der Sachverstand des Landschaftsrchitekten vor Ort zielführender als die weltweite Präsenz des international tätigen Dienstleisters. © 2012 Christian Rohweder TenneT
Maststockung im Zuge des Neubaus einer Höchstspannungsleitung - Großes Projekt mit überschaubaren baulichen Umweltauswirkungen © 2012 Michael Müller-Bründel BHF
Seit 1990 ist die UVP-Richtlinie in Deutschland mit dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) in nationales Recht umgesetzt worden. Das UVPG definiert dabei bestimmte Projekte für die in jedem Fall oder nach vorhergehender Einzelfallprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist. Diese Umweltverträglichkeitsprüfung ist dabei immer unselbständiger Bestandteil eines Verwaltungsverfahrens und beinhaltet zwingend ein formalisiertes Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung. Damit rückt die Planung größerer Leitungsprojekte aus der für die Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Fachplanung in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit. Die Darlegung der Umweltauswirkungen führt zur kritischen Auseinandersetzung mit den Projekten. Gleichzeitig führten ein gewachsenes Umweltbewusstsein und der Zweifel an Grenzwerten zum Gesundheitsschutz zu Widerständen gegen Bauprojekte. Neben den Wiederständen in der Öffentlichkeit traten Unsicherheiten bei der Wahl des Genehmigungsverfahrens erschwerend und verzögernd hinzu. Zum einen musste für eine Vielzahl von Projekten (alle Höchstspannungsleitungen unter 15 km Länge sowie alle Hochspannungsleitungen) in Rahmen einer Vorprüfung entschieden werden, ob eine UVP erforderlich ist. Aus dieser Entscheidung resultierte ggf. die wichtige Frage nach der Wahl des richtigen Genehmigungsverfahrens. Für die UVP-pflichtigen Projekte musste jeweils ein Genehmigungsverfahren gefunden werden, dass eine hinreichende Öffentlichkeitsbeteiligung für die UVP ermöglicht. Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 wurde diese Fragestellung geklärt, da mit dem neuen § 43 die Planfeststellungspflicht für alle UVP-pflichtigen Freileitungsvorhaben definiert wurde. Die in den vergangenen Jahren sehr schlanken und schnellen Genehmigungsverfahren waren nicht mehr zu realisieren und es traten erste Verzögerungen bei der Projektrealisierung ein. Für das Berufsfeld des Landschaftsarchitekten trat mit der UVP ein sehr umfangreiches Arbeitsfeld hinzu und insbesondere im Rahmen der Trassenfindung und Bewertung rückte die Aufgabe von der rein nachsorgenden Beseitigung von Umweltschäden zum vorbeugenden Schutz der Umwelt. Die Zusammenarbeit zwischen Umweltplanung und Trassierung wurde zwingend enger und es erforderte auf Seiten der Umweltplaner erweiterte Kenntnisse der Projektanforderungen. Die Anzahl der Projekte war immer noch recht gering. Vielfach resultierten die Projekte aber inzwischen aus dem Zubau dezentraler, regenerativer Energien, deren produzierte Leistung ohne die erforderlichen Netzanschlüsse und verstärkte regionale Verteilnetze nicht zu den Verbrauchern geliefert werden konnte.
Der Zubau erneuerbarer Energien erfordert Netzumbau und Erweiterungen © 2005 Uwe Herrmann BHF
Variantenplanung als Teil einer Umweltverträglichkeitsstudie - Die Ermittlung und Bewertung möglicher Trassenvarianten hat mit der Umweltverträglichkeitsprüfung Eingang in die Planunterlagen gefunden. Der Stellenwert der Umweltplanung im der Trassierung nimmt damit weiter zu und der Landschaftsarchitekt wird zum wichtigen Berater auch in frühen Planungsphasen. Erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes können frühzeitig erkannt und rechtzeitig vermieden werden. © 2012 Uwe Herrmann BHF