Zu Beginn des Ersten Weltkrieges ließ die Jüdische Gemeinde 1914/15 hinter der neuen Trauerhalle ein Ehrenfeld für die gefallenen jüdischen Soldaten nach einem Entwurf des Gemeindebaumeisters Alexander Beer (1873-1944) anlegen. Das 49 x 90 Meter große Gelände wird von einer aus Rüdersdorfer Kalkstein gefertigten Mauer eingefasst. Insgesamt 394 jüdische Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, darunter auch an den Spätfolgen ihrer Verletzungen Verstorbene - die letzte Beisetzung eines Kriegsinvaliden war 1941 -, fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Das 1926 aufgestellte, drei Meter hohe zentrale Denkmal in Form eines mächtigen Altars mit dem ruhenden Löwen über der Inschrift auf der Vorderseite stiftete der Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten (RjF).
Belegungsplan für das Ehrenfeld, undatiert, vermutlich 1920er Jahre (Quelle: Jüdische Gemeinde zu Berlin, Verwaltung Friedhof Weissensee) ©
Das zentrale Denkmal des Ehrenfelds © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Nach dem Denkmalschutz-Sonderprogramm "Dach und Fach" kommen seit 2006 Fördermittel zur Instandsetzung von Grabmalen auf dem Friedhof aus dem Denkmalpflegeprogramm des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zur Substanzerhaltung und Restaurierung von Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung. Hier beträgt die maximale Förderung von Denkmalen in den neuen Ländern und Ost-Berlin sieben Jahre, so dass der Friedhof bis 2012 Unterstützung in der Restaurierungsarbeit erhält. Insgesamt konnten mit dem Programm 36 wertvolle Grabanlagen mit einem Gesamtvolumen von ca. 0,98 Mio. Euro gesichert und restauriert werden.
Die Restaurierungsschwerpunkte lagen entlang der Hauptwege an den Mauern der Ostseite (Felder P 2 und U 2) und der Nordwestseite (Felder A 1, B 1 und C 1) bei den Erbbegräbnisreihen, die in ihrem Bestand stark gefährdet und vom Einsturz bedroht waren. Die Einsturzbedrohung war vor allem von einem starken Baumaufwuchs zwischen Mauer und Grabmal verursacht, dessen Wurzelwerk sich wie ein Keil zwischen Grabmale und Mauer gedrängt und ganze Grabmale zum Einsturz gebracht hatte. Ein weiterer Restaurierungsschwerpunkt war die Sicherung und Erhaltung von Grabanlagen mit Metallkonstruktionen des späten 19. Jahrhunderts, wovon es nur wenige erhaltene Beispiele auf dem Friedhof gibt, die nicht – wie viele andere Metallarbeiten - bei den Aktionen zur Verstärkung der Metallreserven für die Kriegswirtschaft von 1942/43 verschrottet wurden. Zu den restaurierten Grabanlagen gehören u.a.: 2006: Alexander Löwenherz (Feld A 3); 2007: Simon Bing (Mauer A 1); 2008: Louis Steinthal (Feld B 1); 2009: Adolph Behrendt (Mauer U 2); 2010: Ephraim Cohn (Feld C 1); 2011: Hermann Rosenfeld (Mauer W.T.); 2012: Gustav Frenkel (Mauer B 1).
Grabanlage Alexander Löwenherz (Feld A 3) vor der Restaurierung, 2006 © 2006 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Alexander Löwenherz (Feld A 3) nach der Restaurierung, 2006 © 2006 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Simon Bing (Mauer A 1) vor der Restaurierung, 2006 © 2006 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Simon Bing (Mauer A 1) nach der Restaurierung, 2007 © 2007 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Louis Steinthal (Feld B 1) vor der Restaurierung, 2007 © 2007 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Louis Steinthal (Feld B 1) nach der Restaurierung, 2008 © 2008 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Hermann Rosenfeld (Mauer Feld W.T.) nach der Restaurierung, 2011 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Hermann Rosenfeld (Mauer Feld W.T.) vor der Restaurierung, 2010 © 2010 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Ephraim Cohn (Feld C 1) nach der Restaurierung, 2010 © 2010 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Ephraim Cohn (Feld C 1) vor der Restaurierung, 2010 © 2010 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Adolph Behrendt (Mauer U 2) nach der Restaurierung, 2009 © 2009 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Adolph Behrendt (Mauer U 2) vor der Restaurierung, 2008 © 2008 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Gustav Frenkel (Mauer B 1) vor der Restaurierung, 2012 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Neben den Plätzen in der Ehrenreihe, mit denen die Jüdische Gemeinde zu Berlin verdienstvolle Mitglieder auszeichnete, sind auf dem Friedhof Weißensee 16 Ehrengrabstätten des Landes Berlin ausgewiesen, die zeigen, welchen Beitrag jüdische Mitbürger am Gemeinwohl der Stadt Berlin in den vergangenen Jahrhunderten geleistet haben.
Hierzu gehören: Dr. Hans Aronson (1865-1919), Wissenschaftler, Arzt, Stifter des Aronson-Preises, Mauer Feld A 5; Herbert Baum (1912-1942 ermordet), Widerstandskämpfer, Feld P I/Ehrenplatz; Oskar Cassel (1849-1923), Ehrenbürger, Rechtsanwalt, Abgeordneter im Preußischen Landtag, Feld G 1-Ehrenr.; Samuel Fischer (1859-1934), Buchhändler, Verleger, Feld J 4; Adolf Jandorf (1870-1932), Warenhausgründer (u.a. das KaDeWe), Mauer Feld T 2; Berthold Kempinski (1843-1910), Weinhändler, Hotelier, Feld T 2; Prof. Dr. Louis Lewin (1850-1929), Pharmakologe, Toxikologe, Feld M 1; Lina "Suppen-Lina" Morgenstern (1830-1909), Gründerin mehrerer mildtätiger Einrichtungen; Feld U 1/Reihe 11; Rudolf Mosse (1843-1920), Verleger, Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften, Mauer Feld M 1; Benno Orenstein (1851-1926), Mitbegründer der Firma Orenstein & Koppel, Feld W. T.; Dr. Arno Philippsthal (1887-1933), eines der ersten Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung, Feld H 7/Reihe 30; Markus Reich (1844-1911), Gründer und Leiter einer Taubstummenanstalt, Feld U 1/Reihe 15; Dr. Ferdinand Straßmann (1838-1931), Ehrenbürger, Gynäkologe, Mauer Feld A 1; HermannTietz (1837-1907), Gründer eines Warenhauses in der Leipziger Straße im Jahr 1900, aus dem sich später der Hertie-Konzern entwickelte, Feld O 2; Lesser Ury (1861-1931), Maler, Impressionist, Feld G 1/Ehrenreihe; Theodor Wolff (1868-1943), Journalist, Verteidiger von Dreyfus, starb infolge KZ-Aufenthalt, A 1/Reihe 10.
Ehrengrabstätte für den Verleger Samuel Fischer, Feld J 4 © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Ehrengrabstätte für den Berliner Ehrenbürger und Sanitätsrat Ferdinand Strassmann, Mauer Feld A 1 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Ehrengrabstätte für den Journalisten und Chefredakteur Theodor Wolff, Feld A 1/Reihe 10 © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Mit dem 1996 aufgelegten Denkmalschutz-Sonderprogramm "Dach und Fach" beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zur Sicherung und zum Erhalt von Baudenkmälern konnten bis zur Einstellung des Förderprogramms im Jahr 2003 über 40 wertvolle Grabanlagen mit einem Gesamtvolumen von ca. 1,7 Millionen Euro gesichert und restauriert werden.
Zu den restaurierten Grabanlagen gehören u.a.: 1996: Sigmund Aschrott (Feld C 2), Katz-Lachmann (Mauer W.T.), Albert Ascher Michaelis (Mauer C 1); 1997: Mecklenburg (Mauer V 1); 1998: Jacques Heymann Goldschmidt (Feld S 2); 1999: Oswald Berliner (Mauer W.T.), Theodor David (Feld J 2), Adolph Ehrlich (Mauer C 1), Moritz Israel (Feld M 1); 2000: Lewinsohn-Netter (Feld B 2); 2001: Albert Pinkuss (Feld S 4); 2002: Otto Adam (Feld K 2), Siegmund Borchardt (Feld C 2); 2003: Georg Wilhelm Arnstaedt (Feld S 2).
Grabanlage Sigmund Aschrott, Entwurf: Bruno Schmitz, restauriert 1996, Feld C 2 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Katz-Lachmann, Entwurf: Louis Lachmann, restauriert 1996, Mauer Feld W.T. © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Katz-Lachmann, Innenraum mit blauem Oberlicht © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Albert Ascher Michaelis, Grabmalsicherung durch ein Notdach 1996, Mauer Feld C 1 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Mecklenburg, restauriert 1997, Mauer Feld V 1 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Jacques Heymann Goldschmidt, restauriert 1998, Feld S 2 © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Oswald Berliner, restauriert 1999, Mauer Feld W.T. © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Theodor David, restauriert 1999, Feld J 2 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Adolph Ehrlich, restauriert 1999: Marmorreinigung, Erneuerung der Blechkuppel, Mauer Feld C 1 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Moritz Israel, restauriert 1999, Feld M 1 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Lewinsohn-Netter, restauriert 2000, Feld B 2 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Albert Pinkuss, restauriert 2001, Feld S 4 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Otto Adam, restauriert 2002, Feld K 2 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Siegmund Borchardt, restauriert 2002, Feld C 2 © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabanlage Georg Wihelm Arnstaedt, Entwurf: Architekt Friedrich Blau, restauriert 2003, Feld S 2 © 2011 Sabine Ringkamp ringkamp kommunikationsdesign
Das größte Mausoleum auf dem Friedhof für den Bankier Sigmund Aschrott (Feld C 2) geht im Entwurf auf Bruno Schmitz (1858-1916) zurück, von dem auch die größten deutschen Denkmale stammen: das Kyffhäuser-Denkmal, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica und das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Der Kaufmann Ascher Albert Michaelis und seine Frau Cäcilie, geb. Friedemann (1827-1907), ruhen zusammen mit weiteren Angehörigen der Familien Meyer und Michaelis unter einer aufwändigen Grabarchitektur (Mauer Feld C 1). Der Architekt August Orth (1828-1901) entwarf 1884 diesen der Eckposition hervorragend anpassten Grabbau im Stil der italienischen Hochrenaissance. Der Entwurf für das Erbbegräbnis Eugen Panofsky stammt von dem Bildhauer Franz Naager (1870-1942) und dem Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann (1852-1932), der von 1896 bis 1924 in dieser Funktion das Berliner Bauwesen mitbestimmte. Das in sparsamen Renaissanceformen gestaltete Wandgrab vereinigt in gelungener Weise den Wunsch nach Repräsentation mit gediegener Zurückhaltung.
Das Erbbegräbnis Gustav Frenkel (Mauer B 1) ist das erste realisierte Projekt des Architekten Alfred Messel (1853-1909), der später u.a. mit seinen Warenhausbauten für Wertheim am Leipziger Platz (im Zweiten Weltkrieg zerstört) Ruhm erlangte. Der Entwurf für das in klaren, kubistischen Formen errichtete Erbbegräbnis der Familie Becker (Mauer Feld E 2) stammt von dem Dresdner Architekten Martin Dülfer (1859-1942), der vor allem für seine Theaterbauten, z. B. das Stadttheater in Duisburg, bekannt ist. Eine der künstlerisch bedeutendsten Grabanlagen auf dem Friedhof schuf der Architekt Walter Gropius (1883-1969) für den Kaufmann Albert Mendel (Feld P 4). Otto Stichling (1866-1912) ist als Künstler mit verschiedenen Grabmalen auf Berliner Friedhöfen vertreten, in Weißensee gehören zu seinem Werk die Grabmale für den Bankier Alfred Cohn (Feld R 2) – der Entwurf wurde 1904 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt - und Ignaz Wolfsohn (Mauer Feld M 2) sowie für Henriette Kalischer (Feld J 2, ohne Abbildung). Von dem Bildhauer Hans Dammann (1867-1942) sind für Weißensee zwölf Grabmalentwürfe bekannt, stellvertretend sei hier das Grabmal für den Theaterdirektor Carl Bieber (Feld H 4) genannt. In der gestalterischen Ausführung bemerkenswert sind die in Galvanoarbeit gefertigten seitlichen Festons, die aus Büscheln von Eichen- und Lorbeerblättern gebunden sind. Das Grabmal konnte 2007 mit Bundes- und Landesmitteln restauriert werden.
Grabmal Aschrott, Entwurf Bruno Schmitz © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Michaelis, Entwurf August Orth © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Panofsky, Entwurf Ludwig Hoffmann u. Fritz Naager © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Frenkel, Entwurf Alfred Messel © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Becker, Entwurf Martin Dülfer © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Mendel, Entwurf Walter Gropius © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Cohn, Entwurf Otto Stichling © 2011 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Wolfsohn, Entwurf Otto Stichling © 2012 Fiona Laudamus HORTEC
Grabmal Bieber, Entwurf Hans Dammann © 2009 Fiona Laudamus HORTEC