Mit dem Fall der Mauer begann auch für die Landschaftsarchitektur ein neuer Zeitabschnitt. Nach der Wiedervereinigung und dem damit verbundenen Abzug der bis dahin noch stationierten Truppen der Alliierten wurden viele vormalig militärisch genutzte Flächen frei. Zwar hatte der industrielle Strukturwandel auch schon vorher eingesetzt, insbesondere im Ruhrgebiet und im Saarland, doch vor allem in den neuen Bundesländern wurden nun auch große Konversionsflächen frei. Aufgrund des Systemwechsels, der strengeren Umweltgesetze, dem Wegfall der osteuropäischen Märkte und der teilweise unzureichenden Bemühungen um den Fortbestand mussten in den neuen Bundesländern viele Betriebe aufgeben. Dies führte u.a. zu erheblicher Abwanderung insbesondere jüngerer Menschen, da sie vor Ort keine Arbeit mehr fanden. In der Konsequenz kam es dann zu erheblichem Leerstand von Wohnungen und in der sozialen Infrastruktur. Daraus ergaben sich neue freiraumbezogene Aufgaben für die Planung, dabei kam dem Freiraum eine besondere Bedeutung zu - beispielsweise im Stadtumbau Ost in Leipzig, Halle oder Dessau.
In der kurzen Zeit der eigenständigen demokratisch gewählten DDR-Regierung wurde durch den damaligen stellvertretenden Umweltminister Michael Succow, unterstützt durch den BRD-Umweltminister Klaus Töpfer, das Nationalparkprogramm, welches etwa 5.000 km² unter Schutz stellte, festgeschrieben und in den Einigungsvertrag überführt.
Nach der Wiedervereinigung wurde das westdeutsche Planungssystem auf die neuen Bundesländer ausgedehnt, was zahlreiche Aufgaben in der Landschaftsplanung mit sich brachte. Ebenso war die Beseitigung von Umweltschäden ein weitreichendes Aufgabenfeld. Die Umstellung erforderte erhebliche Einarbeitung, wobei die Verwaltungen durch Kolleg:innen aus den alten Bundesländern unterstützt wurden. Bei den neuen Möglichkeiten, teilweise auch Zwängen, zur freiberuflichen Tätigkeit waren die Kammern und der bdla behilflich.
Die neuen Aufgaben führten auch zu einer Renaissance der Gestaltung als Schwerpunkt der Landschaftsarchitektur, nach einem Jahrzehnt mit einer eher ökologischen Schwerpunktsetzung. An den Hochschulen zeichnete sich das neu erwachte Interesse am Entwurf bereits Mitte der 80er Jahre ab. Vorbild war vor allem die Entwicklung in Frankreich und Barcelona. Durch die Vielzahl neuer Gestaltungsaufgaben fanden vermehrt Wettbewerbe statt, der Übergang von der Postmoderne einerseits und dem Naturgarten andererseits zur zweiten Moderne begann. Exemplarisch hierfür steht der Entwurf für den Berliner Mauerpark. Den Wettbewerb für die Gestaltung gewann Gustav Lange.
Die Erfordernis, mit den Relikten von Industrie- und Konversionsflächen umzugehen, brachte mit dem postindustriellen Park auch einen ganz neuen Typus von Freiräumen hervor. Hervorzuheben ist dabei der Entwurf des Büros Latz & Partner für den Landschaftspark Duisburg-Nord (1998) im Rahmen der IBA-Emscherpark. Es folgte die Zeche Zollverein in vielen Abschnitten (2012).
Es entstanden aber auch zahlreiche große Grünflächen auf aufgelassenen Bahnhofsarealen, wie zum Beispiel das Schöneberger Südgelände in Berlin, 1999, der Lene-Voigt-Park in Leipzig 2003, sowie auf Konversionsflächen wie 2001 in Potsdam und auf ehemaligen Flughäfen wie 2005 in München-Riem oder 2004 in Frankfurt-Bonames. Frühe Beispiele sind auch die Hafeninsel Saarbrücken von 1989 und der Ziegeleipark Heilbronn von 1995.
Und auch Gartenschauen setzten teilweise Zeichen: Die Landesgartenschau Sindelfingen 1990 wandelte einen bis dahin befestigten Messeplatz in eine differenziert gestaltete Grünfläche um und das Grüne U Stuttgart verbindet seit 1993 zahlreiche Grünflächen miteinander zu einer zusammenhängenden Parklandschaft, was auch die klimatische Situation in Stuttgart verbesserte. Insgesamt entstanden in den Jahren seit 1989 deutlich mehr neue Parks als in den Jahrzehnten davor.
Teilweise überforderte dies die öffentlichen Haushalte, deren Personal und Budget insbesondere ab 2000 im Bereich der Unterhaltung und Pflege erheblich zusammengestrichen wurden. Deswegen liegt das Gewicht seit dem mehr auf pflegearmen Parks sowie auf anderen Pflegemethoden unter Einbeziehung der Bürgerschaft oder forst- und landwirtschaftlichen Methoden. Gegen Ende dieses Zeitabschnittes ist ein Niveau erreicht, dass zunehmend substanzgefährdend ist und sogar von den Rechnungshöfen hinsichtlich mangelnder Nachhaltigkeit kritisiert wird. Die Pflegebudgets stehen in keinem Verhältnis mehr zur steigenden Nachfrage nach benutzbaren Grünflächen, die ständig wächst, und ebenso wenig zur Bedeutung von Stadtgrün in Zeiten des Klimawandels. Der Berufsstand betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge.
Gleichzeitig wendete man sich vermehrt der Entwicklung der Kulturlandschaft zu. Die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft auf der einen Seite und das Brachfallen vieler Flächen auf der anderen Seite können zur Verarmung des Landschaftsbildes wie der Biotopvielfalt führen. Die möglichen Entwicklungen einer Kulturlandschaft zeigt die Untersuchung Hersbrucker Alb (1997) auf. Auch Dorferneuerungsplanungen beeinflussen den ländlichen Raum.
Die Hinwendung zu den „Zwischenlandschaften“ an den Peripherien der Städte führte ebenfalls zu einem neuen Typ von Parklandschaft. An den Siedlungsrändern gelegene Flächen, in denen weiterhin die Landwirtschaft vorherrscht, aber für die Erholung und die Erhöhung der Landschaftsvielfalt zusätzliche Elemente und Strukturen eingefügt werden. Dabei sind robuste Wegesysteme besonders wichtig, aber auch strukturschaffende Gehölzpflanzungen sowie unter anderem die Renaturierung von Gewässern. Eines der ersten realisierten Projekte ist die Wartenberger Feldmark (2008), viele weitere folgten oder sind noch im Entstehen. Die Auseinandersetzung mit den landwirtschaftlichen Produktionsweisen, die Entwicklung der Kulturlandschaft und die Integration von Feldfrüchten und Infrastruktureinrichtungen im Zeichen der Energiewende wird auch in Zukunft ein wichtiges Arbeitsfeld von Landschaftsarchitekt:innen sein. Hilfreich dabei wäre die Unterzeichnung der Europäischen Landschaftskonvention, die in sehr vielen europäischen Ländern bereits erfolgt ist.
Im ländlichen Raum entstanden mitunter Höhepunkte der Landschaftsarchitektur dieser Epoche. So der Museumspark Kalkriese (2000) mit seiner reduzierten räumlichen Übersetzung von historischen Ereignissen und das Dycker Feld (2002) mit seinen strukturbildenden Miscanthuspflanzungen.
Prägend war auch der Stadtumbau Ost, der durch die Deindustrialisierung, den Strukturwandel in der Landwirtschaft und die daraus folgende Abwanderung der Bevölkerung bedingt war. Dafür wurde das gleichnamige Förderprogramm entwickelt, in dessen Rahmen viele Rückbaumaßnahmen stattfanden, mit anschließender Begrünung der neu entstandenen Flächen. Auch die IBA Sachsen-Anhalt und die IBA Fürst-Pückler-Land beschäftigten sich damit. Beispielhafte Projekte hierfür sind der Landschaftszug Dessau (2007) und die Ortsmitte Staßfurt (2009). Der Rückbau von leerstehenden Wohnungen und der Abriss von sozialer Infrastruktur in Großsiedlungen hinterließ Flächen, die mit wenig Aufwand grün gestaltet werden sollten.
Auch wurde in Leipzig und anderen Städten das Konzept „Natur auf Zeit“ entwickelt, damit Grundstückseigentümer ihre Brachflächen nicht ständig entgrünten, um das Baurecht an dieser Stelle zu wahren. Zu Beginn der 2010er Jahre begann in den größeren Städten eine Trendwende, während es in Mittel- und Kleinstädten außerhalb von Speckgürteln bis heute Leerstandsprobleme gibt.
Zunehmend wurde erkannt, dass in vielen westdeutschen Regionen ähnliche Probleme herrschen, sodass auch ein Programm Stadtumbau West aufgelegt wurde. Da hier Stadtgestaltung mangels Bauaufgaben zunehmend durch Freiräume bzw. Landschaftsarchitektur erfolgt, gewann der Berufsstand eine wesentliche Rolle in diesen Prozessen.
Die Kampagnen wurden und werden begleitet durch Leitbilddiskussionen. Vorherrschend ist das Leitbild der europäischen Stadt, was einen Bedeutungszuwachs für die öffentlichen Räume einschließt. In den letzten Jahren werden ergänzend Leitbilder für die Entwicklung der Freiräume erstellt, so z.B. das Leitbild Stadtlandschaft Berlin.
In Zeiten zunehmenden Bürger:inneninteresses an allen Formen von Planung ist auch die Gestaltung von Beteiligungsprozessen und die Moderation und Mediation bei Interessenskonflikten ein Aufgabenfeld für Landschaftsarchitekt:innen geworden. Beispiele hierfür sind die Hafeninsel Saarbrücken 1989, der Lene-Voigt-Park 2003 und ganz besonders der Park am Gleisdreieck, der hier den Abschluss bildet. Diese drei Beispiele sind Vorboten der in der Folge immer stärker werdenden Einbeziehung der Bürger:innenschaft in Planung und teilweise auch Bau und Verwaltung von Grünanlagen.
Abschließend ist ein weiterer Themenkomplex, der besonders im beginnenden 21. Jahrhundert an Bedeutung gewann, die Beschäftigung mit der Einbindung von Infrastrukturmaßnahmen in Stadt und Landschaft, zu nennen. Zunehmend wird deutlich, dass alleine die Umweltauswirkungen von Infrastrukturen zu prüfen und auszugleichen, nicht reicht. Eine umfassendere Betrachtungsweise von Anfang an ist erforderlich, die die Vernetzung und Gestaltung neuer Landschaften zur Folge hat.
Wenn erreicht werden kann, dass neue Elemente Vorteile für die Anwohner mit sich bringen, wird sich die Akzeptanz deutlich verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Isaraue München (2011), wo Hochwasserschutz mit erheblicher Verbesserung der Erholungsmöglichkeiten einherging, ein anderes der Bahndeckel Theresienhöhe (2010). Der Energieberg Georgswerder wurde durch die Umgestaltung (und die vorangegangenen Gefahren begrenzenden Maßnahmen) von einem Schandfleck und gravierenden Umweltskandal zu einem identitätsstiftenden Freiraum in Hamburg-Wilhelmsburg, welcher auch Energie produziert. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie durch Landschaftsarchitektur ein vielfacher Gewinn erzielt werden kann. Darum wurde das Projekt 2013 als zukunftsweisendes Projekt ausgezeichnet.
Die beiden letzten Projekte in dieser Epoche, Energieberg Georgswerder und Park am Gleisdreieck weisen bereits auch auf zwei Schwerpunktthemen der nächsten Epoche hin. Bekämpfung und Anpassungen an den Klimawandel, Energiewende und Bürgermitwirkung stellen neue Schwerpunkte dar, die mit noch mehr Nachdruck als bislang zu bearbeiten sind.
Autorin: Almut Jirku
http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalparkprogramm_der_DDR, Zugriff am 27.10.2013
Garten + Landschaft 10/ 2012, S.38 -39, 11/2012, S. 36 – 39; 12 /2012, S. 34 - 37