Der Übergang zwischen der vorangegangenen Epoche und dieser ist nicht so klar durch entscheidende politische Einschnitte geprägt wie vorherige Abschnitte. Doch gibt es in 2015 zwei bedeutsame Ereignisse auf globaler Ebene, das Pariser Klimaschutzabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der UNO, die die Arbeit von Landschaftsarchitekt:innen maßgeblich prägen (1)(2). Diese beiden Übereinkünfte machen auch deutlich, dass die globale Ebene immer wichtiger wird für den Zustand unserer Umwelt, dass sich die Probleme allein auf nationaler Ebene nicht mehr lösen lassen. Dazu kommt noch das 1993 beschlossene internationale Übereinkommen über die biologische Vielfalt, in seiner Dringlichkeit verstärkt durch den Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES von 2019 (3)(4).
Das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz wurde am 22. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit kann das Gesetz Mitte 2024 in Kraft treten.
Natürlich haben diese Aspekte auch vor 2015 schon Beachtung in der Landschaftsarchitektur gefunden. Aber in den letzten Jahren ist die Dringlichkeit unübersehbar geworden, und die entsprechenden Arbeitsfelder schieben sich in den Vordergrund.
Klimawandel
Immer mehr Kommunen lassen sich Klimaschutz und -anpassungspläne erarbeiten, wie es das Beispiel Ludwigsburg zeigt. Diese Stadt verfolgt auch die Umsetzung systematisch und hat seit 2016 schon viele Maßnahmen realisiert. Klimaanpassungsmaßnahmen stehen dabei im Vordergrund, aber die Landschaftsarchitektur kann auch zur Abschwächung des Klimawandels beitragen durch Vermehrung von CO² speichernden Elementen und Strukturen. Die Wiedervernässung von Mooren ist dabei ein wichtiger Punkt, aber auch die Schaffung von Vegetationsstrukturen, die mehr CO² speichern können als andere, wie die Salzwiesen im Langwarder Groden und die Bäume im Biomassepark Hugo.
Bei der Klimaanpassung spielt die grüne und vermehrt auch die blau-grüne Infrastruktur eine große Rolle. Zunächst für den Naturschutz thematisiert, als Verbindungskorridore zwischen verschiedenen Biotopen, ist seit einiger Zeit die Bedeutung für die Abkühlung überhitzter Bereiche in den Vordergrund getreten und natürlich auch die für den Aufenthalt im Freien. In neu entwickelten Stadtbereichen auf Transformationsstandorten sind Grünzüge noch relativ einfach zu berücksichtigen (Westpark Augsburg, Grünzug Nord-Ost Mannheim, Bahnstadt Heidelberg), die Einfügung in Bestandsgebiete ist ungleich schwieriger und braucht einen langen Atem und muss Baustein für Baustein verwirklicht werden (PARKS/Alster-Bille-Elbe-Grünzug/Alter Recyclinghof). Die blaue Infrastruktur wird vor allem im Projekt Kleiner Kielkanal gestärkt. Die weitgehende Wiederherstellung eines ehemaligen Stadtgrabens, der an noch vorhandene Strukturen anschließt, dient zusammen mit der Bepflanzung ebenfalls der Abkühlung, weiterhin auch der Wasserreinigung. Durch die Reduzierung des innerstädtischen Verkehrs zugunsten ÖPNV und Fahrrad wird zudem der CO² Ausstoß reduziert.
Zur Abschwächung des Klimawandels dient natürlich sehr erheblich die Energiewende. Auch wenn in der Öffentlichkeit die Bedeutung der Landschaftsarchitektur und -planung dafür weniger bekannt ist, so zeigt der Beitrag Netzausbau Schleswig-Holstein deutlich, dass für einen möglichst reibungslosen Ablauf die qualifizierte Arbeit von Landschaftsarchitekturbüros sehr wichtig ist. Wenn der Umbau im angestrebten „Deutschlandtempo“ gelingen soll, dann müssen im Vorfeld mögliche Konfliktfelder minimiert (durch die Einschätzung von Raumwiderständen einerseits und frühzeitige Einbindung aller Betroffenen andererseits) und die für die Genehmigung wichtigen Unterlagen aus dem Bereich Natur-und Landschaftsschutz solide und schnell zusammengestellt werden. Auch hier gibt es leider einen Fachkräftemangel, dem durch den Ausbau der Ausbildungsstätten begegnet werden könnte (aber bisher nicht wird).
Schwammstadt
Eine weitere Folge des Klimawandels sind zunehmende Dürreperioden wie auch heftige Regenfälle. Mal fehlt das Wasser, mal ist es viel zu viel. Um hier gegenzuhalten, wurde das Konzept der „Schwammstadt“ entwickelt (2015 eingetragene Wortmarke von bgmr Landschaftsarchitekten). Statt das Wasser möglichst schnell abzuführen, was über mehr als ein Jahrhundert lang das erklärte Ziel der Wasserwirtschaft war, soll es nun möglichst vor Ort zurückgehalten werden, um dann in Zeiten des Mangels zur Verfügung zu stehen. Dafür ist die Entsiegelung wichtig, wo immer möglich, auch Dachbegrünung, die die Abflussgeschwindigkeit des Wassers vermindert, damit die Böden das Wasser nach und nach aufnehmen können. Zunehmend werden aber auch im öffentlichen Raum Rigolen, Versickerungsmulden, Retentionsbereiche und „rain gardens“ berücksichtigt, wo es geht. Auch dabei übernehmen Grünzüge eine wichtige Rolle, denn hier kann das Wasser eingeleitet werden, wie es z.B. die Bahnstadt Heidelberg und der Grünzug Mannheim-Ost zeigen.
Zunächst noch von anderen Disziplinen und der Öffentlichkeit zögerlich angenommen, hat der Begriff „Schwammstadt“ und die damit verbundenen Inhalte es inzwischen sogar, in der Folge des Ahrtal-Hochwassers, bis in die Talkshows geschafft. Wobei bei diesem Ereignis deutlich wurde, dass zur Schwammstadt noch die Schwammlandschaft dazu kommen muss. Die zunehmende Entwaldung von Berghängen in der Folge von mehreren Dürrejahren und deren Folgeerscheinungen vermindert die Retentionswirkung von Wäldern und lässt das Wasser viel zu schnell abfließen. Die Anpassung der Wälder durch Waldumbau in Richtung Mischwälder ist dringend erforderlich und muss kontinuierlich verfolgt werden, aber sie braucht Zeit. Zudem sind Förderprogramme erforderlich, insbesondere kleine Waldbesitzer:innen können dies nicht allein stemmen. Waldwirtschaft ist eine Generationenaufgabe.
Und auch die Gartendenkmalpflege kämpft mit dem Klimawandel. Viele alte Bäume kommen an ihr Lebensende und müssen ersetzt werden. Doch womit? War es bisher so, dass man möglichst so nah an dem alten Baum blieb wie möglich, am besten durch Ableger, stellt sich nun oft die Frage, ob das mittelfristig sinnvoll ist oder was man stattdessen tun kann. Dies ist auch Gegenstand der Forschung.
Durch Wassermangel muss zudem mehr gewässert werden, das trägt zur Kostensteigerung in der Pflege bei. Und nicht zuletzt bringt der Klimawandel auch neue Schädlinge hierher, leider meist nicht zusammen mit ihren natürlichen Feinden. Darunter hatten zuletzt die Buchsbäume schwer zu leiden, die in historischen Gärten ja oft gestaltprägend sind.
Biodiversität
Der Rückgang der Biodiversität ist erschreckend und bis jetzt nicht aufgehalten worden. Der Biodiversitätsweltrat IPBES hat in seinem Bericht von 2019 Besorgnis erregende Zahlen aufgelistet. „Durch menschliche Handlungen sind heute mehr Arten als je zuvor weltweit vom Aussterben bedroht. Der Anteil gefährdeter Arten beträgt in den bisher bewerteten Tier- und Pflanzengruppen durchschnittlich etwa 25 Prozent … . Das deutet darauf hin, dass etwa eine Million Arten bereits dem Aussterben entgegengehen, viele davon schon innerhalb der nächsten Jahrzehnte. Das kann nur verhindert werden, wenn Maßnahmen ergriffen werden, um die Triebkräfte des Biodiversitätsverlusts einzudämmen. Ohne solche Maßnahmen wird sich das globale Artensterben weiter beschleunigen, das bereits jetzt mindestens zehn- bis hundertmal so schnell voranschreitet wie im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.“ (IBPES A 5 (4))
Solche Maßnahmen dagegen wurden besonders im Projekt Langwarder Groden ergriffen. Durch die Öffnung des vormals eingedeichten Landes kann die natürliche Dynamik von Ebbe und Flut wieder Einzug halten. Das Monitoring zeigt, dass erstaunliche Erfolge für die Artenvielfalt erzielt wurden, und der Prozess geht ja noch weiter. Hier zeigt sich auch, dass die Konzentration von mehreren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in einem größeren Projekt viel mehr erreichen lässt für die Biodiversität, das Landschaftsbild, die Abmilderung des Klimawandels und auch die Erholung. Aber auch in den bereits genannten Grünzügen wurden viele Bereiche geschaffen, wo sich die Artenvielfalt wieder entwickeln kann, ebenso im Biomassepark Hugo.
Doch dies sind nur Tropfen auf dem heißen Stein. Entscheidend wird sein, was auf den land- und forstwirtschaftlichen Flächen passiert, die den größten Teil der Erdoberfläche ausmachen. Bis vor kurzem schien es so, als sei man auch hier auf gutem Wege, wenn auch das Tempo noch hätte etwas schneller sein können. Verschiedene EU- und nationale Programme sollen die Biodiversität in der Fläche wieder beleben. Doch scheint durch die Proteste der Landwirte, die unter den verschiedenen Krisen leiden, dies aber auf Umweltprogramme schieben, ein rollback zu drohen. Damit würden sie sich mindestens mittelfristig selbst schaden. Gute, humusreiche Böden können Dürren besser überstehen, und alles was blüht, braucht Bestäuber. Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Agrar-und Umweltpolitik bald wieder zum bis vor kurzem geltenden Kurs zurückkehrt.
EU-Politik
Die Bedeutung der Europäischen Union für die Arbeit von Landschaftsarchitekt:innen hat mit den Jahren immer mehr zugenommen. Während die gemeinsame Agrarpolitik schon lange wirkt (auch sie hat zunehmend den Umweltaspekt im Blick, wenngleich das noch besser werden kann), hat die Klima-und Umweltpolitik deutlich an Fahrt aufgenommen. Zahlreiche Programme mit ihren Förderbedingungen, die dann auf nationaler Ebene umgesetzt werden, nehmen Einfluss auf Projekte auch der Landschaftsarchitektur, ohne dass dies immer in das Bewusstsein der jeweils Handelnden dringt. Zuletzt war das „Nature Restauration Law“ ein wichtiger Hoffnungsträger. Das Gesetz könnte nach Verabschiedung erhebliche Verbesserungen für die Biodiversität und das Klima bringen. Es ist gedacht zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie und ein wichtiger Baustein des Green Deal.
Der „Green Deal“
Der „European Green Deal“ ist ein Konzept, dass die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen im Dezember 2019 vorgestellt hat mit dem Ziel, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu senken und somit klimaneutral zu werden. Zahlreiche Programme und Fördermaßnahmen sollen die Prozesse gerecht und wirksam befördern.
Für die planenden und bauenden Bereiche ist das „Neue Europäische Bauhaus“ (NEB), 2020 initiiert, von besonderer Bedeutung. Das NEB soll die kulturelle Dimension des Green Deals bilden. Unter den Motti „schön – inklusiv – nachhaltig“ soll es als kreative und interdisziplinäre Initiative den Green Deal mit unseren Lebensräumen verbinden.
Der bdla bringt sich über die IFLA Europe, die offizieller Partner des NEB geworden ist, dort ein.
Anthropozän
Seit dem Jahr 2000 wird unter den Geolog:innen über die Frage diskutiert, ob angesichts der weitreichenden Veränderung der Erde durch menschliche Einwirkung, die sich auch bereits in Erdschichten wiederspiegelt, ein neues geologisches Zeitalter, das Anthropozän, das bis dato geltende Holozän abgelöst habe. Insbesondere die Veränderung des größten Teils der Erdoberfläche, die Umweltverschmutzung, der Klimawandel und das Artensterben hätten so tiefgreifende Eingriffe bewirkt, dass eine neue Epoche begründet sei. Die Diskussion weitete sich dann über die Naturwissenschaften hinaus in die Kultur- und Geisteswissenschaften aus.
„Selbst wenn das Anthropozän schließlich nicht als eine erdgeschichtliche Epoche ausgerufen werden sollte, stellt das Konzept in jedem Fall eine ethische Herausforderung dar: Es geht um einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Erde und die Erkenntnis, dass sie nicht zum einseitigen Konsum durch den Menschen existiert, sondern der Mensch vielmehr nur ein Teil ihrer komplexen dynamischen Umwelt ist.“ (Bundeszentrale für politische Bildung)
Beeinflusst wurden Bewegungen, die für die Rechte der nichtmenschlichen Natur eintreten, von dem auch als „Philosoph des Anthropozän“ bezeichneten Bruno Latour. Er stand für eine neue Sicht auf Umwelt und Gesellschaft und war einer der Begründer der sogenannten Akteur-Netzwerk-Theorie. Nach ihr schreiben sich Natur und Gesellschaft in ständig neuen Verbindungen Eigenschaften zu, beeinflussen, aber bedingen sich auch gegenseitig. Latour führte dies zur Idee eines "Parlaments der Dinge", in dem auch nicht menschliche Akteure mitentscheiden sollen.
Die Global Alliance for the Rights of Nature (GARN) versucht, diese Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Seit einiger Zeit schon wird darüber diskutiert, der Natur und besonders Flüssen juristische Rechte zu verleihen, die über einen Anwalt oder Vormund einklagbar sind. 2017 erlangten vier Flüsse weltweit solche Rechte, darunter der Whanganui River, einer der längsten Flüsse Neuseelands. Das Hörspiel „Die Konferenz der Flüsse“ (2023) setzt sich auf unterhaltsame Weise damit auseinander.
Wenn diese Art zu denken mehrheitsfähig würde, wäre viel gewonnen.
Transformation, Recycling und Upcycling
Mehr Respekt vor der Umwelt und der Natur führt auch dazu, sich in Projekten mehr mit dem Vorgefundenen auseinanderzusetzen. Erste Ansätze dazu gab es bereits in den 1980er Jahren, in den Arbeiten von Louis Le Roy etwa. Heute steht par excellence das Projekt „Alter Recyclinghof“ von atelier le balto für diese Haltung. Schon seit ihren Anfängen sucht sich das Team Orte, die mit kleinen Eingriffen erschlossen und benutzbar gemacht werden können. Vorhandene Pflanzen und Materialien werden so weit wie möglich belassen und behutsam in neue Strukturen eingebettet. Mit den Jahren sind die Projekte größer geworden, die Herangehensweise ist jedoch gleich geblieben.
Aber auch in den Grünzügen auf Transformationsstandorten wie Augsburg West und Mannheim Nordost werden vorhandene Gebäude integriert und mit neuen Nutzungen versehen, ebenso Teile der Vegetation, wo es sich anbietet.
Transformation ist auch das Thema des Biomasseparks Hugo. Ein ehemaliger Standort der Montanindustrie wird in einen neuen Produktionsort umgewandelt. Auch wenn der ursprüngliche Ansatz, mit Kurzumtriebsplantagen auf dem Kohlestandort eine andere Art von Energie zu gewinnen, nicht so recht funktioniert hat, wird doch mit den verschiedenen Gartenkulturen nicht nur Gemüse, sondern auch Gemeinschaft produziert und das Wissen über die Standortbedingungen vermehrt.
In letzter Zeit wird auch darüber diskutiert, ob und wie man auch allein durch pflegerische Eingriffe einen Ort so gestalten kann, dass er als grüner Freiraum erlebbar und benutzbar wird.
Eine ganz andere Art des Upcycling begegnet uns im Projekt Großsedlitz, in der Gartendenkmalpflege. Dieses wertvolle Denkmal wurde lange Zeit vernachlässigt und musste in einem ebenfalls längeren Prozess wieder hergestellt werden, leider kein ungewöhnliches Schicksal. Damit sich dies nicht wiederholt, sind gerade in diesem Bereich Pflege- und Entwicklungspläne von besonderer Bedeutung. Denn für unsere kulturelle Identität ist die Erhaltung dieser Anlagen wichtig. Und mitunter kann man sogar von alten Kulturtechniken für die Zukunft lernen.
Bürger:innenbeteiligung
Zwar auch nicht erst in letzter Zeit „erfunden“, hat doch die Einbindung der allgemeinen Öffentlichkeit in Planungs- und Gestaltungaufgaben erheblich an Bedeutung zugenommen. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass etwas mehr Aufwand und Zeit zu Beginn eines Prozesses zum einen letztendlich Zeit spart, da nicht zu einem Zeitpunkt, wo schon viel Arbeit investiert worden ist, vieles neu aufgerollt werden muss. Und zum anderen erhöht es die Qualität und die dauerhafte Akzeptanz eines Projektes, wenn sich die Anregungen und Wünsche sowie das Wissen um lokale Verhältnisse der Bürgerschaft, die „Weisheit des Volkes“ (Brecht), darin wiederfinden.
Kaum ein Projekt der letzten Jahre fand ohne Bürgereinbindung statt. Doch kann sie unterschiedlich weitgehend ausfallen. Am intensivsten war sie sicherlich bei PARKS Alter Recyclinghof. Hier wirkte und wirkt die engagierte Nachbarschaft in jeder Phase mit - von der Zielfindung über Planung und Bau bis hin zur Pflege. Damit partnerschaftlich umzugehen, ist durchaus eine Herausforderung für die Landschaftsarchitekt:innen, doch lohnt es sich, sie anzunehmen, im Büro und in der Verwaltung.
Vorbildlich ist da auch das Vorgehen der Stadt Augsburg. Im Transformationsprozess der ehemaligen Sheridan- und Reese-Kasernen wurde bereits 1996 auf Bürgerbeteiligung gesetzt und in allen Planungsphasen über den Städtebau zur Landschaftsarchitektur fortgeführt. Die Einbindung der Bürgerschaft auch in die spätere Verwaltung und Pflege durch geeignete Gremien, wie sie beim Park auf dem Gleisdreieck bereits Praxis ist, wird auch hier gewünscht.
Auch in der Bahnstadt Heidelberg wurde bereits in der städtebaulichen Phase die Nachbarschaft des künftigen Quartiers einbezogen. Versammlungen und Führungen vor Ort und Veranschaulichungen durch große Perspektiven des zukünftigen Anblicks vor Ort versetzten die Akteure in die Lage, bereits zu einem frühen Zeitpunkt mitgestalten zu können. Eine Grünanlage, in der man sich wiederfindet, wird auch respektiert.
Wer jeweils einzubinden ist, variiert mit dem Projekt. Beim Kleinen Kielkanal waren es nicht nur die späteren Nutzer:innen, die dafür gewonnen werden mussten. Auch die Industrie-und Handelskammer musste überzeugt werden, dass dieses Projekt ihren Interessen dient, weil es Leute in die Innenstadt lockt und nicht etwa vergrault, weil sie nicht mehr mit dem Auto vorfahren können. (Diese Annahme ist leider weit verbreitet, obwohl mehrere Studien inzwischen belegen, dass eine höhere Aufenthaltsqualität auch zu mehr Kundschaft führt.) Auch andere Gruppen wurden gezielt aufgesucht, wie Schulklassen, die ein hohes Verbreitungspotential in ihrem Umfeld haben.
Bei großmaßstäblicheren Planungen mit einem höheren Abstraktionsgrad werden andere Methoden gebraucht, um die verschiedenen Zielgruppen zu erreichen. Beim Klimaanpassungsplan Ludwigsburg wirken die Bürger vor allem in der Umsetzungsphase mit und gestalten die einzelnen Maßnahmen mit.
Wie man es besser nicht macht, zeigt das Beispiel Langwarder Groden. Dort waren die Planfeststellungsverfahren für die einzelnen Projekte, die dann im Langwarder Groden ausgeglichen werden sollten, bereits weit fortgeschritten, bevor die betroffene Öffentlichkeit vor Ort davon erfuhr und auch das Landschaftsarchitekturbüro für die Umsetzung eingebunden wurde. In der Folge mussten immer wieder umfangreiche Planungsänderungen vorgenommen, Prozesse geführt und mit hohen Wogen der Empörung umgegangen werden, bis das Vorhaben festgesetzt und gebaut werden konnte. Das ist natürlich auch für das betroffene Büro eine Herausforderung.
In vielen Versammlungen vor Ort zeigten die Spaltung der örtlichen Bevölkerung. Als letztendlich ein Kompromiss gefunden war, hielt der niedersächsische Landesbischof vor Ort einen Versöhnungsgottesdienst ab. Dass er das für erforderlich hielt, zeigt, wie tief die Gräben waren. Inzwischen hat zum Glück der Erfolg des Projektes vieles geglättet.
Damit so etwas nicht passiert, hat das Büro Bendtfeld Herrmann Franke für den Netzausbau in Schleswig-Holstein eine Vorgehensweise entwickelt, die von Anfang an alle Gruppen von Betroffenen informiert und einbezieht. Je früher angesetzt wird, desto weniger haben sich Dinge verfestigt und können Planungen modifiziert werden. Gleichzeitig kann das Verständnis für die Erforderlichkeit der Maßnahmen befördert werden. Das Modell war erfolgreich und hat den für die Energiewende so notwendigen Netzausbau, relativ konfliktfrei, beschleunigt. Und auch wenn die Bundesregierung jetzt versucht, diese Beschleunigung durch die Beschränkung von Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten voranzubringen, so täte man doch gut daran, an der Einbindung der Öffentlichkeit in der bewährten Weise festzuhalten, um neben den Netzen auch Akzeptanz aufzubauen.
Soziale Bedeutung
Das rege Interesse an Grünanlagen aller Art zeigt, wie hoch die soziale Bedeutung der Grünflächen ist. Als öffentlicher Ort im Freien, der allen zugänglich ist, sind sie einer der wenigen Orte in der Gesellschaft, der von bis zu 93 Prozent der Bevölkerung zumindest gelegentlich besucht wird, so viel und so oft wie sonst kaum eine Einrichtung; unabhängig von Alter, Geschlecht, Schicht, Lebensstilgruppe, Herkunft und was es sonst noch so für Unterscheidungsmerkmale gibt oder in welcher bubble sie sich sonst aufhalten. Hier begegnen sich alle und nehmen sich zumindest visuell wahr, was ein wesentlicher Beitrag zum sozialen Miteinander ist.
Damit das geschehen kann, ist aber eine ausreichende und gerecht verteilte Ausstattung mit Grünflächen erforderlich. Spätestens seit der Disparitätenforschung der 1970er Jahre wissen wir, dass sozial benachteiligte Quartiere auch weniger grüne Infrastruktur haben als wohlhabendere Gegenden. Sicherlich wird schon länger versucht, hier entgegenzuwirken, dass Instrument der Städtebauförderung trägt dazu bei. Doch stehen hier meist die baulichen und institutionellen Förderziele sowie der soziale Zusammenhalt im Vordergrund, grüne Infrastruktur weniger.
Leider wurde das Bund-Länder-Programm "Zukunft Stadtgrün", eine Konsequenz aus dem Weißbuchprozess, welches in den Programmjahren 2017 bis 2019 jährlich jeweils 50 Millionen Euro Bundesmittel (Verpflichtungsrahmen) zur Verfügung gestellt hat, 2020 wieder eingestellt. Damit wurden 224 Maßnahmen in rund 200 Kommunen gefördert. Nun soll die grüne Infrastruktur wieder in den städtebaulichen Programmen berücksichtigt werden. Offenbar war es für die Stadtplanung schwer zu ertragen, dass die Landschaftsarchitektur „was eigenes“ hatte. Dabei bot es sich eigentlich an, denn die linearen Strukturen der grün-blauen Infrastruktur harmonieren nicht immer mit den kompakten Flächenkulissen des Städtebaus. Eine Evaluation dazu, wie erfolgreich die Berücksichtigung des Grüns in der neuen Förderkulisse ist, steht noch aus.
Der „Park am Hochwasserbassin“ im Alster-Bille-Elbe Grünzug, in dem sich PARKS befindet, ist Bestandteil des Modellvorhabens zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung "Mitte machen – Sport, Bewegung und soziale Infrastruktur im Hamburger Osten“. Das ehemalige Arbeiterviertel Hammerbrook war nie mit besonders viel Grün gesegnet, und das wenige wurde nicht gut erhalten. Insofern ist es ein Beitrag zur Umweltgerechtigkeit, wenn hier nun eine Förderung erfolgt und der lange geplante Grünzug Realität werden kann. Doch macht es etwas stutzig, dass dies genau in dem Moment passiert, wo im Anschluss an die östliche Hafencity das westliche Hammerbrook als Wohngebiet aufgewertet werden soll. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?
Auch andere Projekte schaffen Abhilfe für Defizite in der Nachbarschaft, z.B. der Westpark Augsburg, und befördern somit die Umweltgerechtigkeit.
Physische und psychische Gesundheit
Viele Projekte der letzten Jahre dienen der Belebung und Qualifizierung des öffentlichen Raums und schaffen neue Bewegungsräume. Die Rolle der Grünflächen für die körperliche Gesundheit, die heilsame „Bewegung im Freien“, wird schon lange propagiert. Doch erst in den letzten Jahren wird systematischer erforscht, worin die Wirkung eigentlich besteht. In den Vordergrund rückt dabei die psychische Gesundheit. Das Buch „Stress And The City“ von Mazda Adli, 2017 erschienen, hat weite Aufmerksamkeit gefunden. In einem 2020 erschienenen Artikel beschreiben er und ein Kollege, dass Grünflächen in vieler Hinsicht eine positive Wirkung gegen den Stress haben.
Eine wesentliche Stressursache ist Einsamkeit. Dieses Thema ist in den letzten Jahren ebenfalls in den Vordergrund gerückt. Sicherlich habe die Coronajahre dazu beigetragen, dass Einsamkeit vermehrt zu einem sichtbaren Problem geworden ist. Darauf weist Alena Buyx, die Vorsitzende des Ethikrates, hin. Einsamkeit ist auch für die physische Gesundheit schädlich, schlimmer als viele bekannte Risikofaktoren. Dass ältere Menschen häufig einsam sind, ist nichts Neues. Doch die Kontaktbeschränkungen in einem Alter, wo das Zusammensein mit Altersgenoss:innen eine sehr wichtige Rolle spielt, haben Defizite hinterlassen, die erst langsam in das Bewusstsein rücken. In Studienarbeiten wird Einsamkeit plötzlich Thema.
Natürlich können hier Grünflächen nicht alleine gegenwirken. Doch die Möglichkeit, eine Ort aufzusuchen, der kostenlos zugänglich ist, an dem man zumindest visuell mit anderen Menschen Kontakt aufnehmen kann, ist eine wertvolle Hilfe.
Beim IFLA World – Kongress 2023 forderte Giselle Sebaq von der International Society for Urban Health, einer großen NGO zum Thema Gesundheit, die Landschaftsarchitekt:innen auf, gegen Einsamkeit anzuplanen. Ihr „Auftrag“ an die Landschaftsarchitektur war: Landschaften schaffen, die das soziale Kapital erhöhen und Isolation und Einsamkeit bekämpfen. Die Gestaltung eines Ortes kann hier unterstützen, u.a. dadurch, dass man bereits von außen sehen kann, dass hier ein Aufenthalt unter anderen Menschen möglich ist. Das Arrangement von Sitzgelegenheiten kann ebenfalls Kommunikation erleichtern. Weiterhin können Spiel- und Sportangebote eine Hilfe sein.
Noch besser ist es, wenn man sich einer Gruppe anschließen kann (so man mag). Gemeinschaftsgärten wie im Biomassepark Hugo oder die Mitmachangebote im Alten Recyclinghof sind eine Gelegenheit dazu. Allerdings erfordert das dann schon etwas Mut. Niedrigschwelliger ist es, sich einfach im öffentlichen Raum niederzulassen und zu sehen, dass auch andere Menschen dort sind.
Für die Wertschätzung von Grünflächen hatte die Corona-Zeit allerdings eine positive Wirkung. Eine Untersuchung des BGL, von Forsa 2021 durchgeführt, hat aufgezeigt, dass die Wertschätzung von Grünflächen wie auch die Häufigkeit des Besuchs erheblich gestiegen sind. Gleichzeitig wurde auch geäußert, dass der Pflegezustand verbesserungsbedürftig ist und dass es zu wenige Grünflächen gibt. (5)
Fazit
All das zeigt, wie wichtig die Arbeit der Landschaftsarchitektur für die Gesellschaft ist. Leider tritt das Bewusstsein für die Bedrohlichkeit des Klimawandels und des Artensterbens zurzeit hinter den anderen Krisen und Kriegen zurück. Doch die Zeit drängt. Das Jahr 2023 war das wärmste Jahr seit Aufzeichnung von Wetterdaten, der gerade zu Ende gegangene März 2024 der wärmste je gemessene März. Das Artensterben ist das schlimmste seit 66 Millionen Jahren (damals starben u.a. die Dinosaurier aus). Und auch die psychische Gesundheit der Bevölkerung leidet unter zu wenig Grünflächen und schlechten Umweltbedingungen, wie zunehmend deutlich wird.
Trotzdem werden Gesetze zur Verbesserung von Klima und Biodiversität gestoppt, Maßnahmen zurück genommen. Was tun? Apfelbäumchen pflanzen? Hoffen, dass Hölderlin Recht hat: „Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch“? Immerhin nimmt die Anzahl von biologisch bewirtschafteten Flächen in Deutschland zu, und etliche Landwirte öffnen sich dem Vertragsnaturschutz und der Wiedervernässung von Mooren. Investoren erkennen die Bedeutung der Biodiversität und investieren in entsprechende Fonds. Und vielleicht formiert sich die „ökologische Klasse“ (Latour) noch rechtzeitig, um dem Klimaschutz wieder Vorrang zu verschaffen.
Wir werden auch die nächsten 111 Jahre viel zu tun haben.
Autorin: Almut Jirku
(1) Übereinkommen von Paris – Wikipedia; Finale COP21 (archive.org)
(2) 17 Ziele - Vereinte Nationen - Regionales Informationszentrum für Westeuropa (unric.org);
(3) cbd-en.pdf
(3) BMUV: Das Internationale Übereinkommen über die biologische Vielfalt
(3)Artenvielfalt: Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht | ZEIT ONLINE
(4) IPBES GA_SPM_DE_2020.pdf (de-ipbes.de)
(5) Zufriedenheit mit den städtischen Grünflächen. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter Bewohnern von Großstädten. 2. März 2021 im Auftrag des BGL, forsa Politik- und Sozialforschung GmbH, Schreiberhauer Straße 30, 10317 Berlin